Traktoren & KI

Ich hatte diese Woche die Möglichkeit bei unterschiedlichen Organisationen über die Auswirkungen der künstlichen Intelligenz (KI) auf die Arbeitswelt zu sprechen. Darunter waren die Betriebsratsvorstände der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IGBCE) Hannover, die Beschäftigten der Agentur für Arbeit Göttingen sowie etwa 150 Kreativschaffende aus dem deutschsprachigen Raum.

 

Zentrale Aha-Erlebnisse hatten die Teilnehmenden insbesondere bei der Analogie zwischen Traktoren und KI. Vor gut 180 Jahren waren in den USA etwa 68 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig. Irgendwann wurden dann die Traktoren erfunden, was zur Folge hatte, dass die Beschäftigtenzahl Jahr um Jahr immer weiter zurückging. Heute sind noch etwa drei Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig.

 

Der Traktor hat keine Muskeln, kann die Felder jedoch weit aus effizienter beackern, als es die Menschen jemals könnten.

 

Auch die KI verfügt nicht über die Intelligenz von Menschen. Aber diese braucht sie auch nicht, um bestimmte Aufgaben besser erledigen zu können.

 

Folgerichtig besteht eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die KI einen ähnlichen Einfluss auf die White Collar Worker (Angestellte mit einem höheren Ausbildungsgrad) haben wird, wie es die Traktoren auf die Beschäftigten in der Landwirtschaft hatten.

 

Und das beschäftigt aktuell die Menschen sehr. Die Herausforderung dabei besteht darin, dass wir uns über unserem Beruf identifizieren. Unser Beruf gibt uns eine Daseinsberechtigung. Er ist die Quelle unseres Selbstwertes, weil wir das Gefühl haben, gebraucht zu sein, weil wir das Geld nach Hause bringen und so weiter.

 

Gleichzeitig macht uns diese Identifikation aber auch unflexibel gegenüber zukünftigen Veränderungen der Arbeitswelt. Wir sind festgelegt, abhängig und ersetzbar.

 

Eine Alternative besteht darin uns über unsere Fähigkeiten zu identifizieren. Fähigkeiten lassen sich erwerben, weiterentwickeln und übertragen. Sie machen uns offen, flexibel, unabhängig und anpassbar.

 

Ich selbst war direkt nach meinem Studium (2014) ein Jahr lang arbeitssuchend und habe letztlich nie als Elektroingenieur gearbeitet. Ich würde sogar sagen, dass ich ein Ingenieur zweiter Klasse bin. In den letzten sieben Jahren habe ich meine Tätigkeit zudem ganze fünf Mal vollständig oder teilweise geändert. Und noch heute treibt mich der Gedanke um, was sich für mich ergeben würde, wenn der Wert meiner aktuellen Tätigkeit auf null sinken würde. Hoffnung und Mut machen mir in diesem Zusammenhang die Worte des ehemaligen CEOs von Microsoft Kevin Turner: „Die einzige Sicherheit, die wir im Arbeitsleben haben, ist unser Engagement, uns persönlich weiterzuentwickeln.“ Oder wie es der Psychologe George W. Crane ausdrückte: „Es gibt keinen Arbeitsplatz mit Zukunft. Die Zukunft bietet nur der Mensch, nicht der Job.“

 

Übrigens, der Begriff „Künstliche Intelligenz“ wurde 1956 von dem Informatiker John McCarthy erfunden. Er veranstaltete damals eine Konferenz, hatte aber Schwierigkeiten damit diese vollzubekommen. Irgendwann kam er dann auf diesen „sexy“ Begriff. Seitdem umgibt eine Art metaphorische Aura alles rund um das Thema KI. Hätte er sich damals stattdessen für etwas Langweiliges wie „symbolische Analyse“ oder „Musterabgleich“ entschieden, was es letztlich ist, dann hätte er die Konferenz wohl nicht vollbekommen. Und die Menschen würden heute vielleicht nicht so sehr durchdrehen.

 

(Titelbild: Thomas Dick)

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