Führungskräfte im Wandel

Digitalisierung ist das Thema unserer Zeit und die Auseinandersetzung damit besonders für Unternehmen unabdingbar. In einer Wirtschaft, die sich schnell wandelt, besteht nur, wer mithalten kann. Doch genau das stellt Führungskräfte häufig vor Herausforderungen, was wiederum auch die Mitarbeitenden verunsichert. In diesem Beitrag befasse ich mich mit der Frage, wie Führungskräfte in diesem Wandel bestehen können und was ihre Ausbildung damit zu tun hat. Dafür starte ich mit einer persönlichen Anekdote. 

 

Mein Sohn (5 Jahre) und ich sind begnadete Holzeisenbahnbauer. Insbesondere während meines Urlaubs im letzten Jahr bauten wir eine Holzeisenbahn nach der nächsten, anstatt der sonst üblichen Sandburgen am Meer. Eines Tages hatten wir dann die größte und ausgefeilteste Strecke errichtet, die wir je gebaut haben. Als ich dann kurze Zeit später wieder in den Raum kam, blieb ich schockiert stehen. Mein Sohn riss die kurz zuvor gebaute Strecke enthusiastisch wieder ab. Unsere Blicke trafen sich. In meinen Augen konnte er lesen: „Oh mein Gott! Was tust du da? Das ist die beste Strecke, die wir je gebaut haben. Und du reißt sie wieder ab. Was ist los bei dir?“ In seinen Augen konnte ich lesen: „Ja, was?! Willst du sie jetzt verwalten?“

Wenn etwas nicht mehr seinen Zweck erfüllt, dann ist es sinnvoll zu überlegen, ob man diese Sache links liegen lässt und sich etwas Neues sucht. (Bild: FortitudoX/pixabay)

Führen oder Verwalten? – Das ist hier die Frage

 

Die Message meines Sohnes lautet: Wenn Du etwas nicht mehr brauchst, wenn es Dich nicht mehr weiterbringt, dann lass es links liegen und such Dir etwas Neues. Und: Mein Sohn spielt, um zu gewinnen und nicht um zu verwalten. Das gilt für alle Kinder. Wohingegen wir Erwachsenen das im Laufe unseres Lebens gerne vergessen und uns fast schon krampfhaft daran klammern, was wir erreicht haben. Damit klammern wir uns jedoch an unsere Vergangenheit.

 

Heute treffen beide Punkte den Nerv der Zeit. Der schnelle Wandel in der Wirtschaft stellt viele Führungskräfte vor Herausforderungen, mit denen die meisten überfordert sind. So hat die BWA Akademie in einer Studie zu Tage geführt, dass 89 Prozent der Führungskräfte bei der Digitalisierung des Unternehmens an ihre Grenzen stoßen. Dadurch macht sich Verunsicherung und Ratlosigkeit bei der Belegschaft breit. Man hat das Gefühl, dass man verwaltet und nicht geführt wird. Auf der anderen Seite steht die betroffene Führungskraft unter enormem Druck, da sie die Unzufriedenheit in der Belegschaft spürt, jedoch keinen Anfasser für die angespannte Situation hat.

 

 

Die Geschichte von Admiral Horatio Nelson

 

Meiner Meinung nach ist einer der Gründe, warum 89 Prozent der Führungskräfte mit dem digitalen Wandel an ihre Grenzen stoßen, die Art und Weise wie wir unsere Führungskräfte ausbilden. Viele Führungskräfte genießen heute noch eine Ausbildung, die auf die militärische Ausbildung im alten Preußen zurückzuführen ist. Das heißt, dass wir heute Führungskräfte ausbilden, die alles am besten wissen müssen. Zumindest ist das die Message, die ihnen vermittelt wird. Es ist vergleichbar mit der Armee, wo die Person mit dem höchsten Dienstgrad ansagt, wo es lang geht. Alle anderen müssen dem Befehl Folge leisten, auch wenn diese Person vielleicht gar keinen Plan hat, was wirklich zu tun ist. Da aber keiner den Job verlieren will – weder Führungskraft noch Soldat*in – wird getan, was befohlen wurde, anstatt ein ehrliches Feedback zu äußern.

 

Vor diesem Hintergrund war der britische Admiral Horatio Nelson (1758 bis 1805) eine wahre Ausnahmeerscheinung. Die Royal Navy benannte insgesamt fünf Schiffe nach ihm und das aus gutem Grund. Nelson war nicht nur der beste Segler der Royal Navy, sondern auch eine Führungskraft, die unkonventionell vorging und hervorstach – nicht nur aufgrund seiner Verdienste in zahlreichen Schlachten, sondern insbesondere wegen seiner Art zu führen. Nelson förderte Talente jeden Alters, unabhängig vom Dienstgrad. Wessen Stern hell strahlte, der bekam seine Chance und wurde gefördert. Darüber hinaus beteiligte Nelson von Anfang an seine Kapitäne an der Ausarbeitung der Schlachtpläne und räumte ihnen weitreichende Autonomie ein. Zur damaligen Zeit –  wir sprechen hier vom 18. Jahrhundert – war das ein Unding. Diese Einstellung Nelsons gegenüber seinen Kapitänen und Matrosen brachte ihm schlussendlich aber den Sieg in der Schlacht von Trafalgar, dem Punkt von Napoleons Scheitern zur See.

 

 

Die Moral von der Geschicht'

 

Sicherlich wusste Nelson nicht immer, wo es langgeht. Das war ihm jedoch klar. Weswegen er seine Kapitäne und Matrosen an seinen Plänen und Ideen beteiligte – ganz im Gegensatz zu seinen Admiralskollegen. Wenn es Dir mit der Digitalisierung ähnlich geht wie 89 Prozent aller Führungskräfte und Du nicht weißt, wo es lang gehen könnte, dann beziehe doch zur Abwechslung mal Deine Mitarbeiter*innen in Deine Gedanken ein. Wenn der legändere Lord Horatio Nelson seine Hosen runterlassen konnte, um damit zu zeigen, dass er nicht immer alles weiß, dann können wir das auch. Verzeih mir diese Ausdrucksform, aber ich denke, Du weißt, was ich damit meine.

Im 21. Jahrhunderts stehen Führungskräfte derart komplexen Problemen gegenüber, die es ihnen unmöglich machen sie im Alleingang zu lösen. Daher müssen sie zu Ermöglichern/Ermöglicherinnen werden, die ihren Teams den notwendigen Freiraum bieten, damit diese die Lösungen finden können. (Bild: aleksandrdavydovphotos/canva)

Übrigens: Wusstest Du, dass die ersten Führungskräfte, die den Titel „Manager“ tragen durften, Zirkusdirektoren waren? Das Wort „Manager“ leitet sich aus dem Wort „Manege“ ab. Und wenn Du ins Englische schaust, dann bedeutet „to manage“ verwalten. Und Du weißt ja bereits, was ich vom Verwalten halte. Was mich wiederum zurück zu meinem Sohn und der Holzeisenbahn führt. Traue Dich, neue Wege zu gehen. Du musst es nicht gleich Admiral Nelson gleichtun, und das ganze Unternehmen auf den Kopf stellen. Fange doch einfach wieder an, mehr zu spielen, um zu gewinnen!

 

 

 

(Titelbild: Comfreak/pixabay)

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