Langfristig Digital

Die Digitalisierung der deutschen Wirtschaft tritt aktuell auf der Stelle. Zu diesem Schluss kommen unter anderem Umfragen wie die der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK). In ihrer Digitalisierungsumfrage 2022/2023 hat die DIHK mehr als 4.000 Betriebe bundesweit um eine Selbsteinschätzung des Standes der Digitalisierung gebeten. Auf einer Skala von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) sollten sich die Betriebe bewerten. Mit einer Note von durchschnittlich 2,9 ist der Stand unverändert zum Vorjahr.

 

Zwar gibt es in einzelnen Branchen eine leichte Verbesserung, aber eben nur eine leichte. Was aber auch nicht weiter verwunderlich ist. Auch in meiner täglichen Arbeit merke ich persönlich, dass es aktuell einfach ganz andere Themen sind, die die Breite der Betriebe beschäftigen: nach wie vor bestehende Lieferkettenproblematiken oder der Krieg in der Ukraine und die damit zusammenhänge Ausrichtung der Bundesrepublik in Sachen Energieversorgung.

 

Erst letzte Woche gab Wirtschaftsminister Robert Habeck bekannt, dass er ein Verbot von neuen Öl- und Gasheizungen ab 2024 plant und neu installierte Heizungssysteme müssen mindestens 65 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien produzieren. Wie das zu schaffen sein soll, ist vielen noch unklar. Und es tangiert die Betriebe, die jetzt schon keine Zeit für die Digitalisierung haben, weil sie aufgrund eines Fachkräftemangels Mühe und Not haben ihre Aufträge abzuarbeiten.

 

Dennoch möchte ich an dieser Stelle eine Lanze für die Digitalisierung brechen und die langfristige Rendite, die damit einhergeht. Anstoß gab mir ein Gedanke, den James Clear (Top Speaker und Bestseller Autor) mit mir geteilt hat:

 

„Ein Paradoxon des Lebens ist, dass die größten Renditen langfristig erzielt werden, aber die Opportunitätskosten für langsames Handeln enorm sind. Langfristiges Denken ist nicht langsames Handeln. Handle schnell bei Dingen, die sich zusammensetzen. Lass niemals einen Tag vergehen, ohne etwas zu tun, das dir in einem Jahrzehnt zugutekommt.“

 

Digitalisierung ist definitiv etwas, das sich langfristig auszahlt, wenn ich z.B. an mein persönliches Paradebeispiel der deutschen Industrie, den Stahlhändler Klöckner, denke. Das Unternehmen hat 2014 die digitale Transformation des analogen Stahlhandels angestoßen. Und heute, neun Jahre später, ist das Unternehmen mit fast 50 Prozent digitalem Umsatz der Vorreiter der Branche.

 

Hätte das Unternehmen damals jedoch gezögert oder seine Absicht das Amazon des Stahlhandels zu werden nur langsam umgesetzt, dann wären andere wohlmöglich schneller gewesen.

 

Vor dem Hintergrund der DIHK-Umfrage finde ich den Gedanken von James aktuell mehr als zutreffend. Ein Jahrzehnt mag einem lang erscheinen. Gleichzeitig vergeht die Zeit schneller als man denkt. Deshalb sollten wir jeden Tag nutzen, um das voranzutreiben, was uns in zehn Jahren überproportional zugutekommen kann. Und das ist aus meiner Perspektive die Digitalisierung.

 

In diesem Zusammenhang fällt mir das Ergebnis der Studie The Data: Where Long-Termism Pays Off von Dominic Barton, James Manyika und Sarah Keohane Williamson ein. Im Zeitraum von 2001 bis 2014 untersuchten sie 615 US-Unternehmen (exklusive Finanzunternehmen), die 60 bis 65 Prozent der gesamten US-Marktkapitalisierung darstellten. Von diesen 615 Unternehmen identifizierten sie 167, die sich nachweislich an Long-Term-Value orientierten und setzten deren Ergebnisse ins Verhältnis zum Durchschnitt. Hier sind die Ergebnisse:

  • Unternehmensumsatz: +47 Prozent
  • Unternehmensgewinn: +36 Prozent
  • Marktkapitalisierung: +58 Prozent
  • Schaffung von Arbeitsplätzen: +132 Prozent

Die größten Renditen werden eben langfristig erzielt. Erlaubt mir vor diesem Hintergrund noch eine abschließende Frage: Was ist die eine Sache, die alles andere leichter oder gar überflüssig machen würde? Vielleicht ist es ja die Digitalisierung.

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