Am Ende: Wieso Probleme immer relativ sind

Ein indisches Sprichwort lautet: „Tadle Gott nicht, weil er den Tiger geschaffen hat. Danke ihm dafür, dass er dem Tiger keine Flügel gab!“

 

Ich wohne mit meiner Familie nun gut sechs Monate in unserem Eigenheim. Und als ich neulich auf dieses indische Sprichwort stieß, schossen mir die Gedanken von vor dreieinhalb Jahren durch den Kopf.

 

Im August 2020 kauften wir die Wohnung in einem 1990 sanierten Fachwerkhaus. Wir planten einen Monat für die Modernisierung von Bad und Küche ein und wollten dann einziehen. Alles lief nach Plan. Wir waren tatsächlich einen Monat später so weit, doch einziehen konnten wir nicht. Wir hatten beim Kauf nämlich einen großen Fehler gemacht.

 

Während der Sanierungsarbeiten 1990 wurden auch Teile des Fachwerks ausgetauscht. Leider war die Ausführung fehlerhaft. Es wurden feuchte Balken verbaut, die im Laufe der Zeit trockneten und an Querschnitt und damit an Tragfähigkeit einbüßten. Zusätzlich wurden sie mit Bohrungen an Stellen geschwächt, die kritisch sind. Und genau an diesen Stellen brachen die Balken 30 Jahre später einer nach dem anderen. Die Statik des Gebäudes was sensibel getroffen.

 

An Einzug war also nicht mehr zu denken. Nach anwaltlicher Prüfung war eine Rückabwicklung der Immobilie leider auch nicht möglich. Also mussten wir ran an die Balken und diese sanieren. Wir hatten Glück im Unglück. Da es sich um Gemeinschaftseigentum handelt, wurden die Kosten durch alle Eigentümer geteilt. Auf der anderen Seite zog sich die Sanierung so natürlich hin, weil jeder abgeholt werden wollte.

 

Nach vielem Hin und Her konnten wir die Balken dann doch noch sanieren. Kurz bevor wir jedoch einziehen wollten, bemerkten wir, dass noch weitere Balken gemacht werden mussten. Diese hatten wir entdeckt, als wir während der Sanierung die abgehängte Decke in den Schlafzimmern rausgenommen hatten, um Raumhöhe zu gewinnen. Da es sich um einen neu entdeckten Schaden handelte, begann das ganze Spiel wieder von Neuem: Abstimmen mit den anderen Eigentümern, Gutachter kommen lassen, Angebote einholen und so weiter.

 

Aber nun, dreieinhalb Jahre und 70.000 Euro später, sind wir endlich drin. Von den anderen Alteigentümern ist keiner mehr dabei. Sie haben alle verkauft, als es ihnen zu viel wurde. Auch ich muss zugeben, dass das bislang eines der größten Probleme meines Lebens war.

 

Aber hey, vielleicht sollte ja alles so kommen. Mit den Neuen passt es wirklich gut. Wir sind eine tatkräftige Truppe.

 

In solchen Momenten muss ich daran denken, wie relativ doch alles ist. Was vor dreieinhalb Jahren ein Schock für mich war, wird mich in zehn Jahren nicht mehr kümmern. Und es gibt immer ein noch größeres Problem, das irgendwo auf mich wartet. Bis dahin bin ich um eine tolle Geschichte reicher, die ich mit anderen teilen kann, um ihnen weiterzuhelfen.

 

Unser Leben ist eben keine Privatsache. Eine Geschichte, die wir erlebt haben, kann auch für andere hilfreich sein. Aber nur, wenn wir sie mit anderen teilen.

 

Geschichten, vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum ich die Star Wars Saga so mag. Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse, Lichtschwerter und Kanonen, Raumschiffe, die Jedi und die Sith. Und am Ende gibt es immer eine Fortsetzung, weil es noch nicht gut ist. Und solange es noch nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.

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