Wie der Einzelhandel Deine Gedanken liest

Stellen Dir vor, Du hast eine 16jährige Tochter, die regelmäßig von Deinem Händler des Vertrauens Produktinformations-Mails zu Produkten, wie Säuglingsnahrung, Windeln, Babykleidung und Pflegeprodukte für die Kleinen bekommt. Als Du eine dieser Mails, heimlich und natürlich unabsichtlich, zu Gesicht bekommst, bist Du wahrscheinlich etwas verwirrt. Du bist Dir nämlich ganz sicher, dass Deine Tochter keinerlei Kontakt zum männlichen Geschlecht pflegt. Wie kann es also sein, dass der Einzelhändler Deiner Tochter solche Produktinformations-Mails zuschickt?

 

Also entscheidest Du Dich dazu die Person zur Rede zu stellen. Doch nicht etwa Deine Tochter, sondern den Einzelhändler. Gleich am nächsten Tag stürmst Du die Filiale des besagten Einzelhändlers und machst die Filialleitung so richtig schön rund. Du machst den Verantwortlichen vor den Augen der anderen Kundinnen und Kunden eine richtig schöne Szene, denn schließlich geht es hier um die Ehre Deiner Tochter. Anschließend fährst Du nach Hause und berichtest stolz Deiner Tochter, wie Du ihre Ehre verteidigt hast. Doch dann passiert etwas, womit Du nicht gerechnet hast. Deine Tochter beichtet Dir, dass sie durchaus mit dem männlichen Geschlecht verkehrt und dabei auch schwanger geworden ist.

 

Wahrscheinlich fällst Du in solch einem Moment aus allen Wolken. Du wirst Dich fragen, wie das passieren konnte und wie es jetzt weiter geht. Dann fällt Dir die Filialleitung ein, die Du vor versammelter Mannschaft rundgemacht hast und das, wie es sich herausgestellt hat, völlig zu Unrecht. Und noch etwas beschäftigt Dich. Wieso wusste der Einzelhändler was in Deinem Haushalt abgeht, während Du völlig im Dunkeln bliebst?

Bei dem US-amerikanischen Einzelhandelsunternehmen Target ist der Name Programm. Mit Künstlicher Intelligenz kann das Unternehmen seine Kundinnen und Kunden gezielter ansprechen als jemals zuvor. (Bild: les-enovateurs/pixabay)

Alles bei den Haaren herbeigezogen? Keineswegs. Dieses Szenario basiert auf wahren Begebenheiten und ereignete sich in den USA in einer Filiale des Einzelhändlers Target. Ein besorgter Vater bekam rein zufällig eine Produktinformations-Mail des Einzelhändlers zu Gesicht, die an seine Tochter adressiert war und den Rest kennst Du ja. Diese Story ging bereits vor vielen Jahren durch die Medien und wurde unter anderem von dem Organisations-Psychologen Adam Grant in seinem Buch „Nonkonformisten: Warum Originalität die Welt bewegt“ aufgegriffen.

 

Grant wählte Target jedoch nicht wegen dieser Story für sein Buch aus, sondern weil das Unternehmen als eines der ersten in den USA zwei Technologien miteinander kombinierte, die es dem Unternehmen ermöglichten einen bis dato noch nie dagewesenen Einblick in den Haushalt seiner Kunden zu gewinnen. Laut der Recherche von Grant, waren die Verantwortlichen bei Target damals selbst darüber überrascht, wie gut das System funktioniere.

 

Möglich wird das hier Beschriebene durch die Kombination von Big Data und Deep Machine Learning. Dabei handelt es sich um Teildisziplinen der Künstlichen Intelligenz, mit deren Hilfe große Mengen von Daten gesammelt und anschließend mit Algorithmen analysiert werden. Das Besondere daran ist, dass die Algorithmen selbstständig lernen und ihre Schlüsse ziehen, was wir als Kunden mit einer hohen Wahrscheinlichkeit als nächstes benötigen.

 

Ein Beispiel: Wenn Du bisher noch nie Hundefutter gekauft hast und jetzt plötzlich damit anfängst, dann erkennt das ein KI-basierter Algorithmus und wird Dir anschließend entsprechende Produktempfehlungen zukommen lassen. Es reicht nämlich bereits, wenn Du das Hundefutter ein- oder zweimal kaufst. Woher der Algorithmus das weiß? Nun, er hat Zugang zu Unmengen von Kundendaten, die ihm das verraten. Du bist nämlich nicht die erste Person, die ihr Einkaufsverhalten derartig ändert. Die Wahrscheinlichkeit ist also sehr groß, dass Du Dir einen Hund angeschafft hast. Oder eben Nachwuchs erwartest, wie es im oberen Beispiel der Fall war.

Was braucht meine Kundin oder mein Kunde als nächstes? Moderne Software hilft Einzelhändlern sich diese Frage zu beantworten. (Bild: Preis_King/pixabay)

Und wenn Du jetzt denkst, dass Dir so etwas nicht passieren kann, dann muss ich Dich leider enttäuschen. Die Chancen stehen sogar ziemlich gut dafür. Das Interessante ist nämlich, dass wir als Kunden unsere Daten freiwillig weitergeben. Möglich machen das Bonusprogramme, wie PAYBACK oder DeutschlandCard. Wie beschrieben, liegt die Target Story bereits einige Jahre zurück. In der Zwischenzeit haben die Bonussysteme auch den deutschen Markt erobert. PAYBACK belohnt seine Kundinnen und Kunden bereits seit über 15 Jahren als größtes deutsches Bonusprogramm. Laut des Bonusprogramm Monitors 2019 nimmt jeder deutsche Verbraucher im Durchschnitt an 4,6 Bonus- oder Vorteilsprogrammen teil. 53 Prozent der Teilnehmer sind weiblich und 47 Prozent männlich.

 

Aber auch Anbieter von E-Commerce-Software, wie z.B. Shopify, bieten ihren Nutzerinnen und Nutzern zahlreiche Werkzeuge, um das Kundenverhalten im eigenen Online-Shop zu analysieren und anschließend personalisiertes Marketing betreiben zu können.

 

Neben diesen Lösungen unterstützen auch die sozialen Medien den Einzelhandel bei der Ausspielung von personalisiertem Marketing. Das Besondere ist, dass die Menschen in den sozialen Medien auch ganz ohne Bonusprogramme ihre persönlichen Lebensumstände teilen, z.B. den Nachwuchs im Haushalt. Wenn Du nun wiederum Babykleidung vertreibst, kannst Du mit Hilfe von Werbeanzeigen in den sozialen Medien gezielt die Personen ansprechen, die gerade Nachwuchs erwarten oder bereits bekommen haben. Der Vorteil: Du bezahlst nur Anzeigen, die auch ankommen, da die sozialen Netzwerke, anders als traditionelle Medien, ein Cost per Click Geschäftsmodell betreiben. Dabei entstehen Dir nur Kosten, wenn die potenziellen Kundinnen und Kunden Deine Anzeige anklicken, um sich über das Produkt zu informieren.

 

Es muss also nicht gleich die teure und große Komplettlösung sein, wenn man von den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz im Einzelhandel profitieren möchte. Meine Kolleginnen und Kollegen von dem Projekt Niedersachsen digital aufgeLaden unterstützen Dich gerne dabei. Und das vollkommen kostenlos, Dank der Förderung des Landes Niedersachsen.

 

 

 

(Titelbild: YURI MANEI/Pexels)

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