Wertschöpfung im 21. Jahrhundert

Ich beschäftige mich seit sieben Jahren mit der Digitalisierung der Arbeits- und Wirtschaftswelt. Mittlerweile bin ich an dem Punkt angelangt, wo ich sage, dass sich mittlerweile alles Mögliche digitalisieren lässt. Angefangen bei den internen Prozessen eines Unternehmens bis hin zur digitalen Markterschließung. Bei oberflächlicher Betrachtung kommt man schnell zu dem Schluss, dass sich die Wertschöpfung immer mehr in den virtuellen Raum verlagert und die reale Welt in den Hintergrund gerät.

 

Der Film „Ready Player One“ gibt uns einen Eindruck davon, wie sich der Schwerpunkt unseres menschlichen Daseins immer mehr von der realen in die virtuelle Welt verlagern könnte. Die jüngsten Ankündigungen von Meta (ehemals Facebook) und Microsoft zeigen, dass auch die großen Digitalkonzerne großes Interesse an der Verschmelzung der realen und virtuellen Welt haben. Beide Unternehmen planen ein sogenanntes Metaversum. Während Microsoft zunächst den Fokus auf die Arbeitswelt setzt, hat Meta den Freizeitbereich im Blick. 

Reale Wertschöpfung am Ort des Geschehens. (Bild: Andrea Piacquadio/Pexels)

Noch ist das alles Zukunftsmusik, doch bereits heute verdienen die Unternehmen mit einem Plattformgeschäftsmodell einen Großteil des Kuchens, und zwar rein digital. Wenn ich beispielsweise heute nach einer Unterkunft in einer mir unbekannten Stadt suche, weil ich dort kommende Woche eine Keynote zur Transformation der Wertschöpfung halte, dann rufe ich als erstes eine der vielen Plattformen aus dem Beherbergungsgewerbe auf. Anschließend suche ich mir dort ein Hotel aus, das meiner Vorstellung entspricht und buche ein Zimmer. An dieser Transaktion verdienen die Plattformen einen in der Regel zweistelligen prozentualen Betrag. Und das, ohne ein eigenes Hotel zu besitzen. 

 

Die reale Wertschöpfung findet natürlich erst am Ort des Geschehens statt. Und das ist für mich als Gast der entscheidende Moment. Denn in diesem Moment entscheidet es sich, ob ich das nächste Mal erneut über eine Plattform mein Zimmer buche, oder ob ich direkt bei diesem Hotel anrufe. Ich spreche hier von dem Moment am Hoteleingang, wenn mir die Hotelmitarbeiterin oder der Mitarbeiter die Eingangstür öffnet. Ok, stimmt. Die Eingangstür wird mittlerweile von einem Roboter automatisch geöffnet, wenn ich darauf zugehe. Aber dann ist es eben der Moment an der Rezeption, der entscheidet. 

 

„Einen wunderschönen guten Abend, Herr Redekop! Ich freue mich sehr, Sie in unserem Haus begrüßen zu dürfen. Herr Redekop, während Sie sich bei uns kurz registrieren, können wir gerne ihr Gepäck übernehmen. Ich habe mir auch die Freiheit genommen, Ihnen ein ganz besonders ruhiges Zimmer auf der Rückseite des Hotels zu reservieren, da Sie angegeben haben, dass Sie morgen eine wichtige Keynote halten.“ Bereits hier denke ich mir: Wie aufmerksam. Hier wird mitgedacht. Und es geht noch weiter. „Herr Redekop, ich sehe gerade, dass ihr Sakko einen Fleck hat. Ist das das Sakko, das Sie morgen auch beim Auftritt zu tragen beabsichtigen? Ich kann es gerne über Nacht reinigen lassen.“ Und ich so: „Ja, gerne.“ Und dann: „Herr Redekop, wenn Sie noch irgendeinen Wunsch haben, so scheuen Sie sich nicht, mich zu kontaktieren. Und noch einmal, herzlich willkommen in unserem Haus.“ 

 

Wow! Welch ein Moment. Übertreibe ich? Ein bisschen vielleicht. Aber schließlich geht es hier um die Wertschöpfung und damit um den Erfolg eines Unternehmens und der damit verbundenen Arbeitsplätze im 21. Jahrhundert. Was in diesem Beispiel zum Tragen kommt, sind zwei zentrale Bestandteile der Wertschöpfung in jedem Business. Es geht um Aufmerksamkeit und Empathie.

Empathie ist entscheidend. (Bild: StockSnap/pixabay)

Erlaube mir an dieser Stelle eine kleine Bemerkung: Während Frauen mit Empathie scheinbar zur Welt kommen und diese intuitiv einzusetzen wissen, müssen wir Männer das Wort erst nachschlagen, um zu verstehen, was es überhaupt bedeutet. Meine lieben Männer, Empathie bedeutet Einfühlungsvermögen: Die Fähigkeit und Bereitschaft, sich in die Situation des Gegenübers hineinzuversetzen. Und das ist entscheidend, ganz gleich, ob Du Dein Geld mit realen oder virtuellen Geschäftsmodellen verdienst. Menschen wollen eine menschliche Erfahrung machen. Wenn ich im Hotel einchecke, dann will ich als Mensch wahrgenommen werden und nicht als eine weitere Nummer auf dem Bildschirm der Rezeption. Doch das geht nur, wenn die Person hinter der Rezeption ebenfalls als Mensch wahrgenommen wird und nicht als Ressource, die man verbraucht.

 

Hierzu fällt mir ein Zitat vom Gründer und langjährigen CEO von Southwest Airlines Herb Kelleher ein, der auch gleichzeitig eines meiner Vorbilder ist: „We have a People Department. That´s what it deals with. So don´t call it Human Resources.“ Für Herb standen seine Mitarbeitenden an erster Stelle, anschließend kamen die Kundinnen und Kunden und dann erst die anderen Interessensvertretungen. Kein Wunder, dass Southwest Airlines die größte und profitabelste Fluggesellschaft der Welt ist (163,6 Millionen Passagiere 2019).

 

Jeder von uns hat seine unterschiedlichen Bedürfnisse und Päckchen, die er/sie mit sich trägt. Das war Herb klar. Und ihm war auch klar, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kundschaft nur als Menschen behandeln würden, wenn sie selbst als Menschen wahrgenommen werden. Hierzu gibt es zahlreiche Stories und Interviews mit Herb im Internet. Leider werden wir ihn nicht mehr persönlich fragen können, wie er das umgesetzt hat, da er 2019 verstarb. Wenn Du jedoch einen Ausgangspunkt für Deine Suche haben willst, dann kann ich Dir die Maslowsche Bedürfnispyramide wärmstens empfehlen. Für mich ist das die Führungs- und Wertschöpfungspyramide des 21. Jahrhunderts und das ganz gleich, ob Du Dein Geld im realen oder virtuellen Raum verdienst. Denn letztlich steht hinter jedem Problem ein nicht befriedigtes Bedürfnis eines Menschen.

 

 

 

(Titelbild: Andrea Piacquadio/Pexels)

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