Risiken und Chancen

Bald ist es so weit und ich zähle aktuell jeden einzelnen Tag. Am Wochenende, zwischen dem 14. und 16.07. wage ich den Sprung meines Lebens, so denke ich. Auf 4000 Meter Höhe geht es über Hildesheim aus einem Sportflugzeug. Es folgen etwa 60 Sekunden freier Fall runter bis auf 1500 Meter und dann eine fünf- bis siebenminütige Fahrt mit dem Fallschirm.

 

Anfang dieses Jahres machte meine Frau mir dieses Geschenk, mit den Worten: „Ich wollte dir etwas schenken, dass du ein Leben lang nicht mehr vergisst.“ Das hat sie bereits jetzt geschafft. Aktuell vergeht kein Tag, an dem ich nicht an den Sprung denke. Anfangs konnte ich die Gedanken daran erfolgreich verdrängt. Doch je näher das Datum kommt, desto präsenter wird es. Es gibt Momente, in denen ich bereits jetzt eine Aufregung verspüre, als wäre es so weit.

 

Und ich spreche auch mit immer mehr Leuten darüber. Dabei bin ich überrascht wie viele Menschen aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis bereits einen Fallschirmsprung gemacht haben. Und eben so viele wollen es nicht tun. Eine liebe Freundin von mir bemerkte kürzlich: „Man fordert ein Stück weit das Leben heraus.“

 

Bei diesen Worten gehen einem sofort Bilder durch den Kopf, dass der Schirm sich wohlmöglich nicht öffnen könnte. Klar, es gibt noch einen Reserveschirm, aber auch der könnte versagen. Und dennoch bewertet man das Risiko höher als es eigentlich ist. Die subjektive Risikowahrnehmung sorgt dafür, dass wir Risiken überbewerten und Chancen unterbewerten. Wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass wir in erster Linie Schmerz vermeiden wollen, obwohl es doch viel zu gewinnen gebe, wenn wir es uns doch trauen würden.

 

Bezogen auf Fallschirumsprung kann ich mir gut vorstellen, dass insbesondere der erste Sprung ein lebensveränderndes Ereignis ist. Ich weiß noch, wie mein Bruder nach seinem ersten Sprung drauf war. Ein Art Unbesiegbarkeit begleitete ihn eine ganze Woche lang, damals war er erst 12. Ich bemerkte, dass dieses Erlebnis einen massiven Einfluss auf sein Selbstvertrauen hatte. Zu wissen, dass man Mut bewiesen hat und Erfolg hatte, hat Einfluss auf das weitere Leben und die Vorhaben, die man sich zutraut.

 

Winston Churchill, der Großbritannien durch den zweiten Weltkrieg führte, drückte es einst so aus:

 

„Mut ist die wichtigste aller guten Eigenschaften, denn er verbürgt alle anderen.“

 

Etwas altmodisch, wie sich Winston hier ausdrückt, aber im Grunde ist es so. Ohne zu wissen, ob man Erfolg haben wird, beweist man seine Entschlossenheit und geht in Vorleistung. Nicht ohne Vorbereitung, aber mit einer Ungewissheit wie die Sache ausgehen wird.

 

Und wie ist es bei mir? Nun, mein Bruder (15) springt mit mir. Zusammen geht es dann doch leichter sich zu überwinden. Eine gewisse Vorfreude schwingt trotz des unwohlen Gefühls aber auch bereits jetzt mit. Ich denke mir, dass wir letztlich die Dinge bereuen, die wir uns nicht zugetraut haben. Zumindest haben mich das die 80- und 90jährigen während meines Sozialdienstes in einem Altersheim gelehrt.

 

Zudem kann ein öffentliches Commitment helfen das geplante Vorhaben durchzuziehen, was ich hiermit abgegeben habe. Und am Ende ist es dann doch weniger riskant, als man denkt. Die Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Sprung liegt gerade einmal bei 0,0013 Prozent.

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